Innungen und Hochwasser (I): „Der starke Zusammenhalt hat mich beeindruckt“


Von:  BV - Christian Müller / 05.10.2021 / 17:10


MAINZ/BERG. Landesinnungsmeister Gregor Cramer begleitet seit zwölf Wochen ehrenamtlich die Hilfsaktionen im rheinland-pfälzischen Hochwassergebiet. Im Interview erklärt der Maler- und Lackierermeister aus Berg, was er in dieser Zeit erlebt hat und welche wichtige Rolle die Innungen vor Ort in Krisenzeiten spielen.


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  • Die Hochwasserkatastrophe vom 15. Juli hat in weiten Teilen Westdeutschlands große Schäden hinterlassen. Nachdem die Aufräumarbeiten weitgehend abgeschlossen sind, geht nun vielerorts der Wiederaufbau los. Hierfür werden auch Maler- und Lackierbetriebe gebraucht.
  • Landesinnungsmeister Gregor Cramer - der Maler- und Lackierermeister aus Berg half im betroffenen Hochwassergebiet tatkräftig mit.

Über mehrere Wochen haben Sie jetzt zusammen mit vielen anderen Mitstreitern aus dem Landesinnungsverband Kolleginnen und Kollegen im Ahrtal und darüber hinaus geholfen. Wie geht es Ihnen?

Gregor Cramer: Manchmal ist man schon etwas niedergeschlagen, wenn man die Schäden und die damit verbundenen Schicksale der Kolleginnen und Kollegen sieht. Ich habe das ja nicht nur im Ahrtal erlebt, sondern auch in Nordrhein-Westfalen – da sieht man das Ausmaß auch an allen Ecken und Enden. Das kann man auch nicht in Worte fassen, was man vor Ort erlebt hat.

Die Innungen haben sich in dieser Unwetter-Katastrophe bewährt. Was macht sie in der Krise so wertvoll?

Gregor Cramer: Wir haben einen echt guten Zusammenhalt – nicht nur vor Ort, sondern auch darüber hinaus. Bevor jemand anderes reagiert hat, haben wir eine Woche nach dem verheerenden Unwetter den Betrieben schon erste Hilfsgelder überwiesen. Dank der Initiative des Landesinnungsverbandes Rheinland-Pfalz konnten wir bis heute 60 Unternehmen aus unserem Gewerk Hilfe zukommen lassen. Sowas können wir nur durch unsere starke Handwerksgemeinschaft leisten. Natürlich sind wir vor Ort auch selber stark unterstützt worden. In der Krise haben wir unseren Innungsbetrieben ein starkes Netzwerk geboten.

Was war das Hauptproblem vor Ort?

Gregor Cramer: Viele Betriebe hatten weder Internet noch Strom. Viele wussten gar nicht, woher sie in solch einer Situation Hilfe bekommen sollten. Sie wussten nicht, dass Sie Anträge für Hilfsgelder aus öffentlichen Mitteln stellen konnten. Das haben wir dann vor Ort mit ihnen gemeinsam gemacht. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch der Geschäftsstelle des Landesinnungsverbandes Rheinland-Pfalz, die hier sehr geholfen hat.

Hat sich während der Katastrophe, die Sie erlebt haben, der Charakter der Innungen verändert?

Gregor Cramer: Was mich wirklich beeindruckt hat, waren die Innungsbetriebe, die ihren vom Unwetter betroffenen Kollegen die Möglichkeit eingeräumt haben, in ihren Räumlichkeiten den Betrieb in irgendeiner Form weiterzuführen. Zudem sind noch Maschinen untereinander ausgetauscht, Firmenwagen ausgeliehen, Material verschenkt und natürlich auch „Manpower“ zur Verfügung gestellt worden. Das war wirklich toll.

Was berichten die Kolleginnen und Kollegen im betroffenen Hochwassergebiet über die Hilfe der Innungen?

Gregor Cramer:Die Reaktionen sind unterschiedlich. Manchmal ist man sich in purer Dankbarkeit unter Tränen in die Arme gefallen, manchmal hat man auch wieder zusammen gelacht – aber im Angesicht der Katastrophe und der verursachten Schäden vor Ort war das teilweise eine Achterbahn der Gefühle.

Wie sollte die Hilfe nach fast zwölf Wochen Ihrer Meinung nach weiter organisiert werden?

Gregor Cramer: Natürlich wird es weiterhin Geld brauchen. Was aber noch wichtiger wäre, ist die Tatsache, dass wir ein großes Branchen-Netzwerk schaffen müssen. Wir brauchen Innungsfachbetriebe, die uns vor Ort beim Wiederaufbau helfen. Es kann nicht sein, dass die Leute vor Ort nach einem Maler in einer Datenbank suchen müssen, der 150 Kilometer entfernt ist. Wir müssen das so organisieren, dass der Maler vor Ort mit einem Innungsbetrieb zusammenarbeitet, aber die Steuerung bei dem Maler im Hochwassergebiet bleibt. Er muss der Ansprechpartner vor Ort sein. Der betroffene Betriebsinhaber bekommt dann vom helfenden Innungsbetrieb die „Manpower“ gestellt. Natürlich muss das alles abgerechnet und verrechnet werden. Aber der Kunde im Katastrophengebiet hat dann den Maler, der aus seiner Region kommt. Darin sehe ich momentan das größte Zukunftspotenzial.

Redaktioneller Hinweis: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat branchenübergreifend eine → weiterführende Informationsübersicht für betroffene Handwerksbetriebe zusammengestellt.


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